Warum ich trotzdem für ein Betreuungsgeld bin

Doch, die Sache mit dem Betreuungsgeld ist ein großer gesellschaftlicher Aufreger. Da widerspreche ich meiner Denkfreundin Antje Schrupp. Dass es hier um eine wichtige gesellschaftliche Auseinandersetzung geht, wird schon daran deutlich, dass in der öffentlichen Diskussion darüber von Anfang an mit dem Schimpfwort „Herdprämie“ gearbeitet wurde, einem Begriff, der suggeriert, es gäbe eine staatliche Prämie dafür, wenn Frauen „an Haus und Herd zurückkehren“, also das tun, was sich vielleicht manche rückwärts gerichteten patriarchalen Männer für sich selbst wünschen und wovor sich die, denen die Freiheit von Frauen am Herzen liegt, sollte es tatsächlich zu einem breiten gesellschaftlichen Trend werden, zu Recht fürchten müssten. Aber diese Gefahr besteht überhaupt nicht: Denn Frauen wollen mit großer Mehrheit berufstätig sein und Kinder haben, mehr öffentliche Kinderbetreuung wird von Frauen schon seit Jahrzehnten gefordert und ist inzwischen wesentlich mehr akzeptiert als noch vor 20-30 Jahren und die Unternehmen brauchen die gut ausgebildeten jungen Frauen als Arbeitskräfte, (so Antje Schrupps Argumente).

Der witzige Begriff „Windelvoluntariat“, der in der Auseinandersetzung um die Vätermonate beim Elterngeld erfunden wurde, diffamiert im Gegensatz zur „Herdprämie“ nicht die Tätigkeit, um die es geht, sondern bezieht sich wirklich auf einen konkreten Aspekt dessen, was Männer in diesen Monaten lernen können: Dass Menschen nicht leben und groß werden können, wenn es nicht andere gibt, die in Zeiten, wo sie das nicht selbst können, dafür sorgen, dass sie nicht in ihrer Scheiße liegen müssen. Und dass Männer diese Erfahrung nun machen, wenn auch nur für kurze Zeit, zusammen mit der Erfahrung, wie anstrengend das Leben mit einem kleinen Kind ist, halte ich für sehr wertvoll im Hinblick auf eine veränderte gesellschaftliche Einstellung zu dem, was immer noch überwiegend Frauen leisten, wenn sie Kinder versorgen und betreuen.

Es ist mir egal, dass vielleicht nur deshalb ein Betreuungsgeld eingeführt werden soll, weil der Ausbau der Kita-Plätze nicht schnell genug voranzutreiben war, um den versprochenen Rechtsanspruch einlösen zu können. Für mich hat die Einführung eines Betreuungsgeldes eine große symbolische Bedeutung, ebenso wie es die Einführung des Elterngelds mit den Vätermonaten hatte. Es geht dabei nämlich nicht in erster Linie um das Geld, das ja sowieso lächerlich wenig ist angesichts dessen, was hier in den Familien für die ganze Gesellschaft geleistet wird. Zumindest wird mit dem öffentlich finanzierten Elterngeld und dem Betreuungsgeld sichtbar gemacht, dass Kinderaufziehen nicht nur Privatvergnügen, sondern eine wichtige gesellschaftliche Tätigkeit ist. (Sogar bei den Diskussionen um ein bedingungsloses Grundeinkommen wird dies immer wieder vergessen). Und wenn es eingeführt ist, kann ja weiter daran gearbeitet werden, dass es verbessert wird, vor allem auch, um der von Antje Schrupp zurecht kritisierten Umverteilung von unten nach oben entgegenzuwirken.

Ja, auch wenn ich mich damit als „Alte-Zeiten-Nostalgikerin“ abqualifizieren lassen muss, will ich, dass die Umstellung auf das, was Antje Schrupp die „neuen Zeiten“ nennt, verlangsamt wird, bzw. dass die neuen Zeiten anders aussehen. Ich möchte keine Gesellschaft, in der alles darauf ausgerichtet ist, dass möglichst wenig der wirtschaftlichen Verwertbarkeit menschlichen Lebens (als Erwerbstätige und als Konsumenten) im Weg steht. Ich möchte, dass die Frauen, die das wollen, sich – unter guten finanziellen Bedingungen – so viel Zeit für ihre Kinder nehmen können, wie sie möchten. Ich kenne eine Frau – altersmäßig könnte sie meine Tochter sein – die im Leben vor allem als Mutter tätig sein wollte und sich einfach nicht für Erwerbstätigkeit interessiert. (Sie war mal meine Arbeitskollegin, hat es also durchaus ausprobiert). Wenn ihr Partner mitgemacht hätte, hätte sie vermutlich noch mehr Kinder bekommen, weil sie so neugierig war, wie das jeweils nächste Kind sein würde. Ich höre Klagen von erwerbstätigen Frauen, die ihre Kinder vollzeit-kitabetreuen lassen, dass sie so viel vom Aufwachsen ihrer Kinder versäumen. Und ich denke, dass unserer Gesellschaft das Element der Entschleunigung gut tun würde, das dadurch verstärkt werden könnte, dass mehr Menschen die Möglichkeit bekommen, ohne Zeitdruck mit kleinen Kindern zusammen zu sein und von ihrer anderen Zeitlichkeit lernen zu können, anstatt sie an den Mainstreamzeitdruck anpassen zu müssen. Ich weiß, dass Menschen, die gern Hausarbeit machen und die Zeit dafür haben, Kinder ganz anders an die Liebe zu den Dingen heranführen können, zu der auch die Freude am Aufräumen, an der Pflege und am Reparieren von Dingen gehört, was im Hinblick auf eine Ressourcen schonende Zukunftsentwicklung wichtige Kompetenzen sind. Das halte ich in Kitagruppen und Schulklassen für äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich.

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der verschiedene Lebensentwürfe möglich sind, je nach dem, was einer Frau oder einem Mann liegt. (Und auch die Kinder sind übrigens nicht alle gleich. Manchen tut es überhaupt nicht gut, dauernd mit anderen zusammen sein zu müssen). Wenn es neben der Möglichkeit der Erwerbstätigkeit mit öffentlicher Kinderbetreuung auch noch eine andere Möglichkeit gibt, die ebenso angesehen ist und ebenso gut honoriert wird, würde mir das besser gefallen als die Anpassung an einen einzigen Lebensentwurf, wohin derzeit der Mainstream-Trend geht. Das war übrigens nicht immer so. In den achtziger Jahren gab es hier in der Mütter- und Ökologiebewegung auch unter „fortschrittlichen“ Menschen noch einen starken gegenläufigen Trend.

Das Betreuungsgeld ist, so wie es geplant ist, natürlich nur ein Schrittchen in diese Richtung. Und, ja, es gibt viel daran auszusetzen. Gesellschaftlich unwichtig ist das Thema deshalb aber noch lange nicht.