Vorletzten Sonntag wurde in meiner Gemeinde ein Gottesdienst zum „Frauensonntag“ gefeiert. Da mir diese Einrichtung noch nie begegnet ist, informierte ich mich darüber im Internet. Auf der Seite der Evangelischen Kirche in Baden erfuhr ich, der Frauensonntag blicke hier auf eine lange Tradition zurück, er sei schon 1916 in einem Sitzungsprotokoll erwähnt und 1918 erstmals gefeiert worden. Auch wenn in den letzten zwanzig Jahren in anderen Landeskirchen ebenfalls Frauensonntage eingeführt worden seien, so dürften wir „in Baden auf unsere lange Geschichte mit Recht ein bisschen stolz sein“. Das Besondere am Frauensonntag sei, „dass die biblischen Texte bewusst aus und in der Perspektive von Frauen gelesen werden, dass wir uns als gottesdienstliche Gemeinde einmal bewusst auf (diesen) Blickwinkel einlassen“. Mir kommt das so vor, als seien Frauen eine Minderheit, an die auch mal gedacht werden sollte.
Während des Gottesdienstes zum Thema „Marthas Christusbekenntnis“, der von zwei Frauen zusammen mit der Pfarrerin auf der Grundlage einer Arbeitshilfe der Landeskirche sehr schön vorbereitet worden war, dachte ich, dass ich mich Anfang der 1980er Jahre vielleicht über einen solchen Gottesdienst gefreut hätte – immerhin stand ja, abgesehen von Jesus, eine biblische Frauengestalt im Mittelpunkt, ein Lied in einer „Frauenfassung“ wurde gesungen und die Texte wurden aus der „Bibel in gerechter Sprache“ vorgelesen.
Nun aber war ich nur zornig über die Unverschämtheit, Frauen mit einem Frauensonntag abspeisen zu wollen, an dem einmal im Jahr eine „Frauenfassung“ gesungen wird, während das übrige Jahr über keinerlei Bereitschaft besteht, etwas an einer liturgischen Sprache zu ändern, die auch heute noch so tut, als sei Gott männlich. „Wenn Gott männlich ist, dann ist das Männliche Gott“, erkannte Mary Daly 1973, und diese für uns alle schädliche Botschaft wird leider bis heute in jedem Gottesdienst verstärkt. Lieder und liturgische Texte mit weiblichen Gottesbildern und Pronomen sind nämlich keine „Frauenfassung“, sondern es sind Texte, die gleichberechtigt neben allen anderen Texten stehen oder sie sogar eine Zeitlang ersetzen sollten, weil sie diese falsche, da einseitig festgelegte Gottesvorstellung zumindest etwas aufweichen könnten.
Natürlich würde mir jede theologisch gebildete Person gleich zustimmen, dass Gott nicht männlich ist. Doch offensichtlich fehlt in Kirchenkreisen der Wille, diese Erkenntnis in liturgische Sprache zu übersetzen, was eigentlich sehr einfach wäre. Ich verstehe nicht, warum noch nicht einmal die inzwischen doch recht zahlreichen Pfarrerinnen dies zu ihrer Sache machen. Frauensonntage und die „Frauenfassung“ eines Liedes, die noch nicht einmal im Gesangbuch steht, helfen da jedenfalls nicht weiter.